Die Beklagte ist eine Online-Händlerin, die u.a. Matratzen vertreibt. Der Kläger hatte über ihre Website eine Matratze zu einem Kaufpreis von rund 1.094 € bestellt. Die Matratze wurde ihm später mit einer versiegelten Schutzfolie geliefert. In der Rechnung der Beklagten wurde auf die dort abgedruckten AGB hingewiesen. Diese enthalten auch eine "Widerrufsbelehrung für Verbraucher". Dort ist u.a. ausgeführt, dass das Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, vorzeitig erlischt, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde. Der Kläger entfernte die Schutzfolie dennoch.
Der Kläger bat den Beklagten um Vereinbarung eines Termins zum Rücktransport, da er die Matratze zurücksenden wolle. Da die Beklagte den erbetenen Rücktransport nicht veranlasste, gab der Kläger den Transport selbst in Auftrag und zahlte 95,59 €. Später verlangte der Kläger die Erstattung des Kaufpreises und der Transportkosten. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht bestätigte im Berufungsverfahren diese Entscheidung.
Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, wie Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie auszulegen ist.
Nach Entscheidung des EuGH hat der BGH die Revision zurückgewiesen.
Bei einem Kaufvertrag, den ein Verbraucher mit einem Online-Händler über eine Matratze schließt, die ihm mit einer Schutzfolie versiegelt geliefert wird, handelt es sich nicht um einen Vertrag zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene zur Rückgabe ungeeignet sind, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wird (§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB). Daher steht dem Verbraucher das Recht zu, seine Willenserklärung zu widerrufen, auch wenn er die Schutzfolie entfernt hat.
Eine Ausnahme von dem bei Fernabsatzverträgen Verbrauchern grundsätzlich eingeräumten Widerrufsrecht ist zu verneinen. Schließlich soll das Widerrufsrecht den Verbraucher in der besonderen Situation im Fernabsatzhandel schützen. Denn der Verbraucher hat keine Möglichkeit, das Erzeugnis vor Abschluss des Vertrages zu sehen und zu prüfen. Dieser Nachteil soll mit dem Widerrufsrecht ausgeglichen werden. Somit greift die Ausnahmeregelung nur dann ein, wenn nach der Entfernung der Versiegelung der Verpackung die Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene endgültig nicht mehr verkehrsfähig ist. Voraussetzung ist, dass der Unternehmer Maßnahmen, die sie unter Wahrung des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene wieder verkehrsfähig machten, nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ergreifen könnte.
Bei Anlegung dieses Maßstabs fällt eine Matratze, deren Schutzfolie der Verbraucher entfernt hat, nicht unter diesen Ausnahmetatbestand. Eine Matratze kann im Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt werden. Dies kann ebenfalls mit dem menschlichen Körper direkt in Kontakt kommen. Es ist davon auszugehen, dass Unternehmer in der Lage sind, beide Waren nach Rücksendung mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für eine Wiederverwendung durch einen Dritten geeignet zu machen.
BGH v. 3.7.2019 - VIII ZR 194/16
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