Die Kläger verlangen von dem Beklagten Erfüllung eines Vermächtnisses.
Am 28.9.2010 errichtete die damals 90-jährige Erblasserin ein notarielles Testament. Darin setzte sie den Beklagten zum alleinigen Erben ein. Sie wies ferner darauf hin, dass zu ihrem Nachlass insbesondere auch ein bestimmter Grundbesitz gehört. Ferner ordnete sie ein vom Erben zu erfüllendes Vermächtnis an. Dieses sah vor, dass ihr Wertpapierdepot im Wert von „derzeit“ 780.000 Euro zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung verkauft und an sechs Personen zu je 1/6 verteilt werden sollte.
Bei einem Vermächtnisnehmer handelt es sich um den Generalbevollmächtigter der Erblasserin, der sich u.a. um die Anlage ihres Vermögens kümmerte. Er legte das Geld aus den im Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Depot befindlichen, nach dem Ende der Laufzeit zurückgezahlten Anleihen nicht wieder in Anleihen oder anderen Wertpapiere an. Die Rückzahlungen wurden deshalb auf einem Festgeld-Sparkonto angelegt.
Im Todeszeitpunkt wies das Wertpapierdepot einen Wert von rund 100.000 € auf. Der Beklagte zahlte an die Kläger jeweils 1/6 dieses Betrags aus. Das Festgeld-Sparkonto war demgegenüber auf rund 610.000 € angewachsen.
Die Kläger klagen auf Auszahlung von jeweils weiteren 100.000 €. Sie behaupten, die Erblasserin sei von zwei Vermögensmassen ausgegangen, nämlich dem Immobilienvermögen und dem Wertpapiervermögen. Sie habe mehrfach geäußert, der Erbe solle das Haus bekommen. Der andere Teil ihres Vermögens, der damals ausschließlich in Wertpapieren angelegt gewesen sei, solle zwischen den Vermächtnisnehmern gleichmäßig geteilt werden. Die Spareinlagen seien mit den Wertpapieren gleichzusetzen.
Der Beklagte war der Ansicht, das Vermächtnis beziehe sich ausschließlich auf die Wertpapiere, die im Todeszeitpunkt im Depot vorhanden gewesen seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Vermächtnisansprüche der Kläge seien durch die Zahlungen erfüllt.
Gegen diese Entscheidung haben die Kläger Berufung eingelegt.
Nach Auffassung des OLG haben die Kläger Anspruch auf weitergehende Erfüllung des Vermächtnisses aus § 2174 BGB.
Wenn ein Erblasser Wertpapiere vermacht, die eine Forderung verbriefen, handelt es sich um ein Forderungsvermächtnis im Sinne von § 2174 BGB. Wenn die vermachte Forderung vor dem Erbfall erfüllt wird und sich der geleistete Gegenstand noch in der Erbschaft befindet, ist im Zweifel anzunehmen, dass dem Bedachten dieser Gegenstand zugewendet werden soll. Deshalb sei es ohne Belang, wenn angelegte Gelder in andere Anlageformen überführt worden sind. Im Zweifel soll daher der Ersatzgegenstand vermacht werden. Dabei stehe der Erfüllung, also hier der Auszahlung des Gegenwerts der Anleihen bei Laufzeitende, einer Veräußerung der Anleihen gleich.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Erblasserin den Vermächtnisnehmern lediglich den Inhalt des Wertpapierdepots, nicht aber den Ersatz (Surrogat) habe zuwenden wollen, liege beim Erben. Denn dieser wolle von der Auslegungsregelung des § 2173 BGB abweichen. Diesen Beweis habe der Beklagte (Erbe) aber nicht geführt.