Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilberechtigten

Der Pflichtteilsberechtigten besitzt einen Anspruch auf Wertermittlung auch nach Veräußerung des Nachlassgegenstands durch den Erben

 

Was war geschehen?

Der Beklagte ist der testamentarische Erbe des am 11.1.2017 verstorbenen Erblassers. Die Klägerin ist dessen einzige Tochter.

Die am 5.12.2014 verstorbene Gisela Rosemarie V war Eigentümerin des Hausgrundstücks Hauptstraße 71 in B. Sie wurde beerbt von dem Erblasser zu 1/2 sowie drei weiteren Miterben zu je 1/6. Der Beklagte und die weiteren Miterben veräußerten das Grundstück mit Kaufvertrag vom 14.11.2017 für 65.000 €. Das eingeholte Gutachten für eine - im Ergebnis erfolglos verlaufene - Teilungsversteigerung vom 7.3.2016 ergab einen Grundstückswert von 245.000 €. In einer Bewertung seitens der Volksbank für den Beklagten vom 24.7.2017 wurde der Grundstückswert mit 58.000 € bemessen. Ein weiteres im Auftrag der Klägerin erstattetes Gutachten vom 24.7.2018 ergab einen Grundstückswert von 120.000 € bis 175.000 €. Der Beklagte zahlte an die Klägerin insgesamt rd. 33.400 € auf den Pflichtteil. 

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe unabhängig von der Veräußerung des Grundstücks ein Anspruch auf Ermittlung des Wertes zum Zeitpunkt des Erbfalles zu. Sie hat den Beklagten auf Wertermittlung und Zahlung eines nach Wertermittlung noch zu bestehenden Betrages verklagt.

 

Wie haben die Instanzgerichte entschieden?

Das LG gab der Klage antragsgemäß statt und verurteilte den Beklagten.

Das Oberlandesgericht hat den Wertermittlungsanspruch der Klägerin verneint. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt.

 

Wie hat der BGH geurteilt?

Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verurteilte den Beklagten, den Wert des Anteils des Erblassers an der im Eigentum der Erbengemeinschaft stehenden Immobilie durch Vorlage eines Wertgutachtens zu ermitteln.

 

Die Argumentation des BGH

Gem. § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird.

Obwohl bereits mehrere Sachverständigengutachten vorlagen, besteht dieser Anspruch, wenn die Wertangaben stark differieren. Die eingeholten Sachverständigengutachten variieren in ihren Werten zwischen 58.000 € und 245.000 €. Die Veräußerung des Grundstücks erfolgte für 65.000 €. 

Der Klägerin kann daher nach Ansicht des BGH ein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs nicht abgesprochen werden.

Dem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Erbe den Nachlassgegenstand nach dem Erbfall veräußert hat. Dies rechtfertigt sich daraus, dass dem Pflichtteilsberechtigten anderenfalls der Nachweis verwehrt bzw. zumindest erschwert würde, dass der Veräußerungserlös nicht dem tatsächlichen Verkehrswert entspricht. 

Gegen eine Versagung des Wertermittlungsanspruchs in Fällen der nachträglichen Veräußerung eines Nachlassgegenstandes spricht ferner, dass ausweislich der Regelung in § 2314 Abs. 2 BGB die Kosten für die Auskunftserteilung und Wertermittlung nach Absatz 1 dem Nachlass zur Last fallen. Demgegenüber müsste der Pflichtteilsberechtigte, der im Rahmen von § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB einen anderen Verkehrswert als den tatsächlichen Veräußerungserlös behauptet, auch die entsprechenden für die Wertermittlung erforderlichen Kosten tragen.

 

BGH, Urteil vom 29.09.2021 - IV ZR 328/20

 

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