Schmerzensgeld bei zu spät erkannter Krebserkrankung

Medizinrecht Mönchengladbach

Verstirbt eine 70-jährige Patientin an einer zu spät erkannten Krebserkrankung, sind für die Bemessung des Schmerzensgeldes in besonderem Maße einerseits ihr Leidensweg (insbesondere die Heftigkeit und Dauer der Schmerzen) maßgeblich und andererseits ihr Alter und ihre familiäre Situation, die Rückschlüsse auf die erlittenen Lebensbeeinträchtigungen zulassen. Auf dieser Grundlage kann ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € angemessen sein.

 

Was war passiert?

Die Patientin begab sich im Herbst 2010 wegen undefinierbarer Schmerzen und einem bereits geschwollenen rechten Oberschenkel in die Praxis des Arztes. Dort wurde aber lediglich ein Hämatom diagnostiziert und Schmerzmittel verordnet. Erst im November veranlasste der Arzt eine MRT-Untersuchung, bei der ein Tumor diagnostiziert wurde.

Der Krebs konnte dann jedoch nicht mehr eingedämmt werden. Nach weiteren zwei Monaten fand sich eine Metastase. Eineinhalb Jahre danach verstarb die Patientin nach schweren Leiden.

Ihr Ehemann machte daraufhin für sie Schmerzensgeld gegen den Arzt geltend. Nach Angaben eines Sachverständigen hätte der Tumor bereits Ende Oktober erkannt werden können. Bei einer um einen Monat früheren Diagnose wäre die statistische Prognose der Patientin um 10-20 Prozent besser gewesen.

 

Wie hat die erste Instanz entschieden?

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hielt ein Schmerzensgeld von 30.000 € für gerechtfertigt.

Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

 

Wie lautet das Urteil des Oberlandesgerichtes?

Die Berufung des Beklagten bleibt mit Blick auf seine Haftung dem Grunde nach ohne Erfolg.

Nach Ansicht des Senats ist das Schmerzensgeld unter Berücksichtigung der maßgeblichen Gesamtumstände des Einzelfalls gegenüber der Zumessung durch das Landgericht vielmehr um weitere 20.000,- € auf insgesamt 50.000,- € zu erhöhen.

 

Die rechtlichen Argumente des OLG

Das OLG urteilte, der Beklagte habe die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen. Bei einer um einen Monat früheren Diagnose wäre die statistische Prognose der Patientin um 10-20 % besser gewesen. Vor diesem Hintergrund sei der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang nicht äußerst unwahrscheinlich. Von einem äußerst unwahrscheinlichen Ereignis könne erst ab einer Quote von etwa 5 % und darunter gesprochen werden.

Wesentlich für die Bemessung des Schmerzensgeldes seien der Leidensweg der Patientin bis zu ihrem Tod, ihr Alter und ihre familiäre Situation. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, der Grad des Verschuldens des Schädigers und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien seien dagegen von untergeordneter Bedeutung gewesen. Bei einer 70 Jahre alten Person sei - nach Auffassung des OLG - die erlittene Lebensbeeinträchtigung typischerweise unterdurchschnittlich, da man in diesem Alter die zentralen erfüllenden Momente des Lebens wie etwa Jugend, Liebe, Hochzeit, Mutterschaft und beruflichen Erfolg noch erleben konnte.

 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 22.12.2020 – 8 U 142/18

Das Urteil des OLG ist noch nicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung wurde vom Beklagten Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt

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