Jeder kann durch Testament seinen Ehegatten, seine Kinder, Enkelkinder oder Eltern von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen. Anstelle des gesetzlichen Erbanteils erhalten diese ein Pflichtteilsrecht. Den Eltern steht ein Pflichtteilsanspruch nur zu, wenn keine Kinder oder Enkelkinder vorhanden sind.
Grundsätzlich ist es nicht möglich, den Verwandten vom Pflichtteil (Pflichtteilsentziehung) auszuschließen. Grund hierfür ist die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers. In anderen Rechtsordnungen kann jeder sein Vermögen frei von Todes wegen verfügen, ohne dass z. B. die Kinder etwas erhalten. In wieder anderen Rechtsordnungen können die Erbrechte der Kinder nicht eingeschränkt werden. In Deutschland gilt ein Kompromiss. Der Testierende kann den Pflichtteilsberechtigten zwar vom Erbe ausschließen, der Pflichtteilsberechtige erhält aber anstelle seiner Beteiligung am Nachlass einen Zahlungsanspruch gegen den Erben, der halb so groß ist, wie der Erbanteil.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Zahlungsanspruch sogar Grundrechtsqualität beigemessen. So soll der Pflichtteilsanspruch Ausfluss des in Art. 14 GG geschützten Eigentums sein. Für uns ist selbstverständlich, dass Fremde unser Eigentum nicht schädigen dürfen. Zu dem Eigentum ist nun auch das Pflichtteilsrecht zu zählen. Dies soll uns keiner nehmen dürfen. Grundsätzlich soll es daher keine Pflichtteilsentziehung geben.
Nach dem Motto: "keine Regel ohne Ausnahme“ lässt sich der Grundsatz nicht aufrecht halten. Zu denken wäre z.B. an die Fälle, wo der Pflichtteil anfällt, weil der Pflichtteilsberechtigte den Erblasser getötet hat. Die Grenze zwischen dem Pflichtteilsrecht und dem Recht der Entziehung hat der Gesetzgeber in § 2333 BGB gezogen. Klar ist, dass bei "nach dem Leben trachten" eine Entziehung möglich ist. Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verlangt das Gesetz schon die Unzumutbarkeit.
Schwierig wird es bei einem schweren vorsätzlichen Vergehen. Die Körperverletzung ist ein Vergehen. Die Frage ist, wann ist die Körperverletzung so schwerwiegend ist, dass der grundrechtlich geschützte Pflichtteilsanspruch für den Erblasser unzumutbar ist und der Weg frei ist für eine Pflichtteilsentziehung.
Die Rechtsprechung verlangt, dass die Körperverletzung der Ausdruck einer groben Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses sein muss und der Erblasser hierdurch in besonderem Maße gekränkt wird. Das Erfordernis der zusätzlichen Missachtung fußt in der Rechtsprechung zur früheren Form des § 2333 BGB. Zu einer Anwendung kam es nach der früheren Rechtsprechung nur bei einer schweren Pietätsverletzung.
Das Landgericht Hagen hat in einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung dieses Jahr geurteilt, dass anstelle der schweren Missachtung vielmehr eine allgemeine Abwägung stattfinden soll, ob das Pflichtteilsrecht oder das Recht der Testierfreiheit überwiegt.
Hier hatte der pflichtteilsberechtigte Sohn dem vererbenden Vater mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen und dem auf dem Boden liegenden Vater mit den Füßen ( mit Schuhen) getreten, so dass der Vater zahlreiche Prellungen am Kopf und Körper erlitt. Vermutlich wird die Entziehung vom Oberlandesgericht bestätigt werden, da die Tat sowohl eine schwere Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses darstellt als auch eine Abwägung zugunsten des Rechtes der Testierfreiheit gegenüber dem Pflichtteilsanspruch begründet.
Aber wie sieht es mit weniger gravierenden Fällen aus? Diebstahl von Wurst aus der Metzgerei der Eltern: nein; Verweigerung der Pflege: nein; Vollmachtsmißbrauch zu Lebzeiten: möglich; massive Körperverletzung grundsätzlich ja, aber nicht, wenn im Zustand der Schuldunfähigkeit (schizophrene Psychose) begangen; Untersagung des Kontaktes zu den Enkelkindern: nein
In jedem Fall zu beachten: Die Gründe für die Pflichtteilsentziehung müssen im Testament genannt sein. Nicht erforderlich ist die Nennung des Paragraphen oder alle Details der Handlung. Die Umstände müssen hinreichend konkretisiert sein; z.B. „die im Jahre 2004 begangen Körperverletzung, die zu einer Verurteilung vor dem Amtsgericht geführt hat“ ist ausreichend; nicht ausreichend: "wiederholte Schläge"; "häufige Misshandlungen".
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