Häufig werden die Kinder als gesetzliche Erben von der Erbfolge ausgeschlossen. So können z.B. die Eltern bestimmen, dass nur der überlebende Elternteil, eines von mehreren Kindern oder gar ein Dritter den gesamten Nachlass bekommt. Die gesetzlichen Erben werden somit enterbt.
Die Ehegatten, Kinder, Enkelkinder und die Eltern des Verstorbenen sind Pflichtteilsberechtigte. Das bedeutet, dass das Gesetz diesen Personen einen Ersatzanspruch gibt, weil der Erblasser sie von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Bestimmen z.B. die Ehegatten, dass der Überlebende Alleinerbe wird, so werden die Kinder enterbt. Bei der Zugewinngemeinschaft würde den Kindern die Hälfte des Vermögens nach der gesetzlichen Erbfolge zustehen. Ersatzweise erhalten die Kinder den Pflichtteilsanspruch in Höhe von ¼ vom Nachlass.
Für die Betroffenen stellt sich die Frage, wie hoch dieses Viertel ist, wenn überhaupt keine Kenntnis vom Vermögen des Verstorbenen besteht. Das Gesetz gibt in § 2314 BGB ein Auskunftsrecht. Die Kinder z.B. können von dem überlebenden Elternteil oder dem Erben verlangen, Mitteilung über den Inhalt des Nachlasses zu geben.
Dies geschieht üblicherweise durch ein Bestandsverzeichnis. In dem Bestandsverzeichnis sind alle positiven Nachlasswerte anzugeben. Auch die Nachlassverbindlichkeiten sind anzugeben. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören die Bestattungskosten aber auch noch nicht bezahlte Arzt- und Heilbehandlungskosten sowie Pflegeheimkosten des Verstorbenen. Sodann sind die Verbindlichkeiten von dem positiven Wert abzuziehen. Von dem Unterschied erhalten die Kinder ¼. Der Anspruch der Kinder lautet auf Zahlung dieses Geldbetrages. Eine Teilhabe an Vermögensgegenständen findet nicht statt.
Was ist aber, wenn Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Nachlasses bestehen? Können die Zweifel begründet und erklärt werden, können die Kinder verlangen, dass der überlebende Elternteil die Richtigkeit der Angaben an Eides statt versichert? Dann muss der Elternteil zum Rechtspfleger beim Nachlassgericht gehen und dort die Richtigkeit der Angaben an Eides statt versichern. Die Erklärung wird vom Rechtspfleger beurkundet. Stellt sich später heraus, dass die Erklärung falsch ist, hat der Elternteil eine Straftat begangen. Es ist möglich, dass er wegen dieser Straftat zu einer Strafe verurteilt wird.
Von bedeutendem Interesse für den Pflichtteilsberechtigten ist, ob nicht schon vor dem Tod des Elternteils größere Geldbeträge von dessen Konto verschwunden sind. Der Erbe ist dem Pflichtteilsberechtigten aber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, Auskunft über sämtliche Ausgaben zu Lebzeiten zu erteilen. Nur wenn Anhaltspunkte für Schenkungen vorliegen, muss der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten diese Zahlung oder Zuwendung mitteilen. Die reine Wissenserklärung des Erben reicht nicht. Vielmehr muss der Erbe bei seiner Bank nachfragen und nachforschen, welche Ausgaben in den letzten zehn Jahren eine Schenkung sein könnten. Die Pflicht zur Vorlage von Kontounterlagen besteht nicht. Der Pflichtteilsberechtigte ist somit wieder auf die Ehrlichkeit des Erben angewiesen.
Mit einem Trick kommt der Pflichtteilsberechtigte dennoch zu seinem Ziel. Der Pflichtteilsberechtigte kann von dem Erben, d.h. dem überlebenden Elternteil oder den Geschwistern verlangen, dass das Nachlassverzeichnis von einem Notar erstellt wird. Der Notar darf das Nachlassverzeichnis nicht auf Zuruf des Erben erstellen. Vielmehr hat der Notar eigene Ermittlungen vorzunehmen. Diese Pflicht ist im § 37 Abs. 1 BeurkG festgelegt. Werden dem Notar konkrete Hinweise auf mögliche Schenkungen gegeben, muss der Notar die Kontoauszüge der letzten zehn Jahre einsehen. So erhält der Pflichtteilsberechtigte über den Umweg des Notars Auskunft über möglicherweise verschwundene Geldbeträge. Ist der Notar sich nicht sicher, ob eine Abhebung eine Schenkung darstellt, hat der Notar diese Beträge als sog. streitige Zuwendungen in seinem Bestandsverzeichnis aufzunehmen.
Wichtig ist, dass nicht jedes von einem Notar gefertigte Nachlassverzeichnis den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten erfüllt. Nur ein ordnungsgemäß erstelltes Nachlassverzeichnis befreit den Erben von seiner Auskunftspflicht. In der Rechtsprechung liegen zahlreiche Entscheidungen vor, nach denen die notariellen Nachlassverzeichnisse zu beurteilen sind. In der Entscheidung des OLG Koblenz vom 18.03.2014 sind dem Notar zahlreiche Ermittlungstätigkeiten aufgegeben worden. Inhalt dieser Ermittlungstätigkeiten ist u.a. die Einsichtnahme in die vollständigen Kontoauszüge, Sparbücher oder vergleichbare Bankunterlagen für einen Zehnjahreszeitraum.
Wir empfehlen, mit der Anforderung und Überprüfung eines notariellen Nachlassverzeichnisses einen fachkundigen Rechtsanwalt zu beauftragen.
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