Der BGH hob u.a. ein Urteil des LG Berlin vom 12.03.2019 auf, welches wir auf unserer Internetseite vorgestellt und kommentiert haben.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes lassen sich allgemeine Fallgruppen, etwa ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer, nicht bilden.Eine derartige Tendenz war teilweise bei Entscheidungen der Instanzgerichte festzustellen.
Faktoren wie Alter und lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden Verwurzelung im bisherigen Umfeld wirken sich je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung des Mieters unterschiedlich stark aus. Sie allein rechtfertigten deshalb nicht grundsätzlich die Annahme einer unzumutbaren Härte. Vielmehr muss jeder Einzelfall detailliert geprüft werden.
Damit präzisierte der BGH seine Rechtsprechung zur Frage, wann ein Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte verlangen kann. Die Bundesrichter erklärten, dass bei möglichen gesundheitlichen Härten auf Seiten des Mieters regelmäßig von Amts wegen ein Sachverständiger hinzugezogen werden muss. Nur eine solche Aufklärung versetzt die Gerichte in die Lage, "eine angemessene Abwägung bei der Härtefallprüfung vorzunehmen“.
Da auf beiden Seiten grundrechtlich geschützte Belange (Eigentum, Gesundheit) betroffen sind, ist eine umfassende Sachverhaltsaufklärung und eine besonders sorgfältige Abwägung erforderlich. Die Gerichte müssen im jeweiligen Einzelfall prüfen, ob die Interessen des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses diejenigen des Vermieters an dessen Beendigung überwiegen (§ 574 Abs. 1 BGB).
In dem Fall, den das LG Berlin entschieden hatte, war die Revision des Eigentümers erfolgreich. Ein Familienvater hatte einer 80 Jahre alten Mieterin gekündigt, weil er für seine junge Familie selbst mehr Platz braucht. Das Landgericht hatte zwar den Eigenbedarf des Vermieters bestätigt. Da die Seniorin aber seit 45 Jahren in der Wohnung lebt und bei ihr Demenz nachweislich besteht, konnte sich die Mieterin auf „unzumutbare Härte“ berufen. Ob die betagte Mieterin die Wohnung räumen muss, hängt davon ab, ob sie in einem neuen Prozess negative gesundheitliche Folgen bei einem Umzug nachweisen kann.
BGH Urteil vom 22.05.2019 VIII ZR 180/18.
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