Der Sachverhalt
Ehegatten verfassen ein gemeinsames Testament, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzen. Gleichzeitig setzen sie ihren gemeinsamen Sohn als Schlusserben nach dem Letztversterbenden ein. 1989 verstirbt die Ehefrau; der Sohn verstirbt 1996 und hinterlässt zwei Kinder. Der Ehemann errichtet daraufhin ein neues Testament zugunsten seiner neuen Lebensgefährtin. Nach seinem Tod im Jahre 2017 sind die Enkelkinder der Ansicht, dass ihnen das Erbe ihres Großvaters zusteht.
Das Urteil des OLG Hamm
Setzen sich Ehegatten in einem Berliner Testament zunächst gegenseitig und dann ihren gemeinsamen Sohn zu Erben ein, so ist der Überlebende von ihnen nach dem Tod des Erstversterbenden und des Sohnes ohne ausdrückliche Anordnung in der Regel nicht gehindert, ein neues Testament zu errichten.
Die Argumentation des Gerichts
Die Enkelkinder würden nur dann Erben nach ihrem Großvater, wenn sie im gemeinschaftlichen Testament der Großeltern zu „Ersatzerben“ ihres Sohnes eingesetzt worden wären. Eine ausdrückliche Regelung, dass die Enkelkinder statt des Sohnes Erben werden sollen, findet sich in dem gemeinschaftlichen Testament nicht.
Nach dem Gesetz wird jedoch vermutet, dass bei Vorversterben eines zum Erben eingesetzten Kindes, dessen Kinder (Enkel) Enkel, an seine Stelle treten. Grundsätzlich kann ein Erblasser seine letztwillige Verfügung jederzeit ändern. Dies gilt nicht, wenn sie bindend erfolgt ist. Verfügen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament letztwillig, so ist der überlebende Ehegatte hieran gebunden, wenn es sich um eine wechselseitige Verfügung handelt. Dies ist der Fall, wenn die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Eine solche Verfügung kann nach dem Tod des Erstversterbenden vom Überlebenden nicht mehr abgeändert werden.
Auch hierzu enthält das Gesetz eine Vermutungsregelung : Setzten sich Ehegatten gegenseitig zu Erben ein und eine ihnen nahestehende Person als Erben des Letztversterbenden, so ist im Zweifel von einer wechselseitigen Verfügung auszugehen. Die Einsetzung des Sohnes als Schlusserbe wäre bindend erfolgt; sie entfiel aber mit seinem Tod.
Eine Bindung auch an die Erbeinsetzung der Enkel aus der kombinierten Anwendung zweier Vermutungsregeln zu folgern, geht nach Ansicht des Gerichtes zu weit. Denn aus dem Sachverhalt lässt sich nicht mit Sicherheit folgern, dass diese Rechtsfolge von den Ehepartnern gewollt war. Es ist genauso denkbar, dass sie sich für den Fall des Vorversterbens ihres Sohnes die Möglichkeit offenhalten wollten, die Erbfolge anderweitig zu regeln.
Ergebnis:
Der Ehemann hatte damit das Recht, ein neues Testament zu errichten.
Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 15.02.2019 (10 W 16/18)
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