Der Erblasser hinterließ 4 Kinder. Er war zwar Eigentümer eines Hauses. Die Kinder hatten aber in Erfahrung gebracht, dass die Wohnung total vermüllt war. Ferner gab es zahlreiche Mahnungen, offene Rechnungen und nicht bezahlte Verbindlichlichkeiten. Die Bestattung erfolgte durch die öffentliche Hand. Die Erben vermuteten daher, dass mit Annahme des Erbes die Schulden das hinterlassene Vermögen überwiegen würden. Die Erben schlugen daraufhin mit unterschiedlicher Begründung das Erbe aus.
Nach der Erbausschlagung stellte sich allerdings heraus, dass das Erbe doch wirtschaftlich gewinnbringend ist. Denn die Immobilie konnte verkauft werden. Nach Abzug aller Verbindlichkeiten verblieb ein Überschuss von ca. 32.000 €.
Daraufhin haben 2 Kinder ihre Ausschlagungserklärung wegen Irrtums angefochten und einen Erbschein beantragt.
Mit dem Beschluss vom 19. Dez. 2019 hat das Nachlassgericht die zur Begründung des Erbscheinsantrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Gegen diesen Beschluss beschwert sich die Beteiligte zu 1, eine nichteheliche Tochter des Erblassers.
Mit Beschluss vom 16. Jan. 2020 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Das OLG hat der Beschwerde stattgegeben und den Erbscheinsantrag der beiden Kinder zurückgewiesen.
In seiner Entscheidung legt das OLG dar die Voraussetzungen der Erbschaftsausschlagung aufgrund eines Irrtums über den Grad der Überschuldung des Nachlasses dar.
Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Irrtum nicht um einen bloßen Motivirrtum handelt, sondern um einen Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft. Der bloße Motivirrtum reicht nicht aus, um eine Ausschlagungserklärung wirksam anzufechten.
Im vorliegenden Fall hatten die potentiellen Erben zunächst keine Kenntnis über die Werthaltigkeit des Nachlasses. Deshalb haben sie aufgrund einer Überschuldungsvermutung die Erbschaft ausgeschlagen.
Grundsätzlich ist anerkannt, dass ein überschuldeter Nachlass eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellt. Dies berechtigt grundsätzlich zur Anfechtung, wenn man über die Werthaltigkeit im Irrtum war. Allerdings gilt dies nur, wenn bezüglich der Überschuldung der Anfechtende von falschen Vorstellungen bezüglich der Zusammensetzung der Aktiva und Passiva ausgegangen ist. Wer allerdings ohne jegliche Kenntnis hinsichtlich der Zusammenhänge den Nachlass ausschlägt, dem liegt keine Fehlvorstellung über den Nachlass zugrunde.Denn in diesem Fall führt eine reine Spekulation hinsichtlich der Werthaltigkeit zur Anfechtung. Die rein spekulative Ausschlagung basiert nicht auf einer Bewertung von Fakten. Der Irrtum basiert deshalb nicht auf einer verkehrswesentlichen Eigenschaft, sondern lediglich auf einem Motiv. Der Motivirrtum reicht nach herrschender Rechtsprechung nicht aus, um eine zuvor erfolgte Erbschaftsausschlagung im Nachhinein wirksam anfechten zu können.