D&O-Versicherung und Haftungsumfang

D&O-Versicherung und Haftungsumfang

Für Ansprüche eines Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer der insolventen GmbH gemäß § 64 GmbHG besteht Versicherungsschutz bei der D&O-Versicherung nach Nummer 1.1 ULLA

 

Die D&O-Versicherung kann sich nicht darauf berufen, dass es sich beim Anspruch gemäß § 64 GmbHG nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt.

 

Ausgangssituation, insbesondere Bedingungen der D&O-Versicherung

 

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der A GmbH (Schuldnerin). Die Beklagte ist die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung der Schuldnerin. Der Kläger nimmt die Beklagte unmittelbar in Anspruch. Der Geschäftsführer der Schuldnerin hat hierfür seine Freistellungsansprüche gegenüber der Versicherung an den Insolvenzverwalter abgetreten hat. Die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Unternehmensleitung und leitenden Angestellten (ULLA) lauten auszugsweise:

 

„1. Gegenstand der Versicherung

1.1 Versicherte Tätigkeit – Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. …

1.3 Versicherte Schäden – Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten.“

 

Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass sie ihre Vertragserklärung angefochten habe und nicht mehr an den Versicherungsvertrag gebunden sei. Überdies seien Ansprüche gemäß § 64 GmbHG nicht vom Versicherungsschutz umfasst.

 

Wie hat das Gericht zur D&O-Versicherung in der Insolvenz entschieden?

 

Nach dem BGH ist der Anspruch des Insolvenzverwalters gemäß § 64 GmbHG ein solcher, der von den Versicherungsbedingungen erfasst ist. Der D&O-Versicherer ist somit zur Erstattung der Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer verpflichtet.

 

Erkennbarkeit der Einbeziehung insolvenzrechtlicher Ansprüche in die D&O-Versicherung

 

Wichtig war, dass der Bundesgerichtshof überhaupt eine Entscheidung treffen konnte. Im Fall des OLG Düsseldorf (20.07.2018 – 4 U 93/16) hatte erstmals ein Gericht entschieden, dass der Versicherungsschutz nicht Leistungen gemäß § 64 GmbHG erfasse. Begründet wurde dieses damit, dass § 64 GmbHG keine Schadensersatznorm sei. Es handele sich um einen Anspruch eigener Art, sodass der Anspruch nicht unter die ULLA falle. In seiner Entscheidung (26.06.2020 – 4 U 134/18, Besprechung hier ) hatte das OLG Düsseldorf diese Frage nicht zu beantworten. Dennoch erwähnte der Senat des OLG, dass ein Versicherungsschutz für Ansprüche aus § 64 GmbHG grundsätzlich nicht greifen dürfte. In der Vorinstanz zum BGH hat auch das OLG Frankfurt/M. mit gleicher Argumentation den Versicherungsschutz verwehrt. Ansprüche nach § 64 GmbHG seien nicht von der D&O-Versicherung umfasst.

 

Der BGH sieht dieses anders. Hierzu ist grundsätzlich anzumerken, dass die Entscheidungen aus Düsseldorf in der Fachliteratur große Kritik erfahren haben. Dieser Kritik schließt sich der BGH an. Es komme bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen auf die verständige Würdigung eines durchschnittlich Betroffenen an. Da hier eine Versicherung für fremde Rechnung vorliegt, ist auf den Horizont eines durchschnittlichen versicherten Geschäftsführers abzustellen. Für einen Geschäftsführer müsse sich ergeben, dass § 64 GmbHG ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch ist. Ein solche wäre von den Bedingungen der D&O-Versicherung gedeckt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne § 64 GmbHG als Schadensersatzanspruch ansehen. Die andere rechtsdogmatische Einordnung des § 64 GmbHG könne von einem weder juristisch noch versicherungsrechtlich vorgebildeten Geschäftsführer nicht erwartet werden. Dieses gilt auch wenn dieser geschäftserfahren und mit AGB vertraut ist. Der Geschäftsführer könne darauf vertrauen, von Ansprüchen befreit zu werden, die er während seiner Berufsausübung auslöst. Hierfür sei die Versicherung gerade abgeschlossen worden.

 

BGH, Urteil vom 18.11.2020 – IV ZR 217/19

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