Existieren zwei Originale eines Testaments, genügt die Vernichtung nur eines der beiden Dokumente, wenn der Aufhebungswille der Erblasserin feststeht. Das hat das Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 22.04.2020 entschieden.
Die Erblasserin hatte zunächst ihren Urenkel als Erben eingesetzt. Später verfasste sie ein weiteres handschriftliches Testament, in dem sie anstelle des Urenkels ihre Haushälterin zur Alleinerbin bestimmte. Darüberhinaus erteilte sie der Haushälterin eine Vorsorge- und Bankvollmacht. Schließlich verkaufte sie der Haushälterin gegen Zahlung eines Kaufpreises sowie Übernahme einer Betreuungs- und Pflegeverpflichtung ihr Hausgrundstück.
Nachdem die Haushälterin mit Hilfe der Bankvollmacht 50.000 Euro vom Konto der späteren Erblasserin abgehoben hatte, widerrief diese die Vollmacht. Sie suchte außerdem einen Rechtsanwalt auf, um sich wegen einer möglichen Rückabwicklung des Kaufvertrages über das Haus beraten zu lassen.
Nach ihrem Tod beantragte der Urenkel ein Erbschein. Über diesen Antrag musste das Nachlassgericht entscheiden.
Dem Gericht lag ein Original des Testaments zu Gunsten der Haushälterin vor, welches der Rechtsanwalt der Haushälterin übersandt hatte. Der Urenkel behauptete dagegen, die Erblasserin habe das Testament widerrufen. Es habe ein zweites Original des Testaments gegeben. Dieses habe die Erblasserin im Rahmen der Beratung zur Rückabwicklung des Hauskaufs ihrem Rechtsanwalt gezeigt und es vor seinen Augen zerrissen. Deshalb gelte wieder die frühere Erbeinsetzung zu seinen Gunsten.
Nach Vernehmung der Rechtsanwälte der Erblasserin und der Haushälterin als Zeugen kam das Nachlassgericht zu dem Ergebnis, dass der Urenkel Alleinerbe geworden. Ihm wurde der beantragte Erbschein erteilt.
Gegen diese Entscheidung hat die Haushälterin Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 22.04.2020 hat das Oberlandesgericht Köln die Beschwerde der Haushälterin zurückgewiesen.
Zur Begründung führte das OLG aus, dass der Erblasser ein Testament jederzeit ohne besonderen Grund widerrufen könne.
Dies könne zum Beispiel durch Vernichtung der Testamentsurkunde erfolgen (§ 2255 S. 1 BGB). Sofern jedoch mehrere Urschriften vorhanden seien, könne die Vernichtung lediglich einer Urkunde nur genügen, wenn keine Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers bestünden. Dies sei hier der Fall.
Der Anwalt der Erblasserin habe im seiner Vernehmung glaubhaft ausgesagt, dass die Erblasserin ein Original des Testaments in seiner Anwesenheit zerstört habe. Dabei habe sie zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin festhalten wolle.
In dieselbe Richtung geht auch die Entscheidung der Erblasserin, den Kontakt zur Haushälterin abzubrechen. Ferner hat sie unstreitig versucht, die Übertragung des Grundstücks an die Haushälterin rückgängig zu machen. Deshalb könne auch angesichts ihres Alters von über 90 Jahren könne angenommen werden, dass die Erblasserin das zweite Original schlicht vergessen habe. Trotz der Existenz dieses weiteren Originals sei daher vom Widerruf des die Haushälterin begünstigenden Testaments auszugehen.