Befunderhebungsfehler und therapeutische Aufklärung im Arzthaftungsrecht

Schadensersatzansprüche aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers können sich auch aus einer unzutreffenden (hier therapeutischen) Aufklärung des Arztes sowie aus einem sogenannten Befunderhebungsfehler ergeben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu in einem Urteil vom 11.04.2017 –Aktenzeichen VI ZR 576/15- eine Abgrenzung vorgenommen. Die Abgrenzung mit Folgen für die Verteilung der Beweislast richtet sich nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit.

Worum ging es ?

Die Patientin hatte sich zu einer Krebsvorsorgeuntersuchung vorgestellt. Ein zytologischer Befund machte eine zeitnahe Kontrolle und weitere Abklärung erforderlich. Der Arzt soll auf die Kontrollbedürftigkeit hingewiesen und zur Wiedervorstellung aufgefordert haben. Allerdings war unklar, ob ein Hinweis auf die Dringlichkeit durch einen entsprechenden Warnhinweis erteilt wurde. Die Patientin stellte sich erst nach mehr als einem halben Jahr erneut vor. Nachfolgend wurde Gebärmutterkrebs diagnostiziert, was mehrere Operationen zur Folge hatte. Die Patientin forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Wann liegt ein Befunderhebungsfehler vor?

Das vorherige Gericht hatte einen sogenannten Befunderhebungsfehler angenommen und eine Haftung des Arztes bejaht.

Bei einem Befunderhebungsfehler liegt der Vorwurf darin, dass der Arzt nach den medizinischen Standards eine gebotene Untersuchung nicht veranlasst hat. Dies kann Vorteile für den Patienten bei der Beweisführung haben.

Im Rahmen der Beweisführung ist regelmäßig der Patient beweisbelastet, dass der Fehler des Arztes für den unmittelbaren primären Gesundheitsschaden ursächlich ist. Dies ist aufgrund der komplexen Vorgänge im menschlichen Körper häufig schwierig.

Bei einem groben Behandlungsfehler, also der Nichterhebung elementarer Befunde, kann sich die Beweislast zulasten des Arztes umkehren.

Ein (nur einfacher) Befunderhebungsfehler führt aber dennoch nach der Rechtsprechung häufig zur Umkehr der Beweislast,  wenn die versäumten Befunde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so gravierendes Ergebnis erbracht hätten, dass das Verkennen eines solchen Ergebnisses als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fahrlässig einzustufen wäre.

Therapeutische Aufklärung

Der BGH entschied dagegen, dass es im beschriebenen Fall um die Verletzung der Aufklärungspflicht geht. Der BGH führt dazu aus:

Ein Aufklärungsfehler ist von einem Befunderhebungsfehler zu unterscheiden. Maßgeblich ist,  welches Geschehen dem Arzt nach dem Sachverhalt entscheidend vorzuwerfen ist. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, da die Dringlichkeit einer Kontrolle nicht aufgezeigt wurde. Erst dadurch ist eine Verzögerung der Befunderhebung verursacht worden.

Ein Aufklärungsfehler liegt nicht nur dann vor, wenn der Arzt über Risiken einer Behandlungsmaßnahme oder andere Behandlungsmöglichkeiten nicht ausreichend aufgeklärt hat. Zur Aufklärungspflicht gehört aber auch die sogenannte therapeutische Aufklärung. Der Arzt muss nach einer Behandlung oder Untersuchung darüber aufklären, wie sich der Patient nach der Behandlung weiter zu verhalten hat. Dazu gehört auch, dass der Arzt auf die Erforderlichkeit und insbesondere auch die Dringlichkeit weiterer Untersuchungen oder Kontrollen hinweist.

Bei einem solchen Aufklärungsfehler ist aber wiederum der Patient dafür beweisbelastet, dass die primäre Gesundheitsschädigung auf diesen Aufklärungsmangel zurückzuführen ist.

Im entschiedenen Fall hat der BGH zur Prüfung der damit verbundenen Fragen den Fall an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die korrekte Einordnung des Behandlungsgeschehens ist daher für den Ausgang eines Rechtsstreits von besonderer Bedeutung.

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