Das BGB enthält zum Umgang mit Vertragsfristen im Bauvertragsrecht keine explizite Regelung. Anders verhält es sich bei den Vertragsbedingungen der VOB/B.
Nach § 6 Abs. 2 VOB/B gilt, dass Ausführungsfristen verlängert werden, wenn die Behinderung durch
verursacht ist.
Höhere Gewalt definiert der BGH als betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln auch durch die äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist (BGH, Urt. v. 23.10.1952 - III ZR 364/51).
Dies spricht von der Definition durchaus dafür, die derzeitige Situation als höhere Gewalt anzunehmen. Voraussetzung ist aber, dass die Pandemie die alleinige Ursache für die Störung ist. Wenn der Lieferant das Material nicht rechtzeitig liefert, weil der AN die Rechnung des Lieferanten zunächst nicht bezahlt und verzögert sich dann die Materiallieferung weiter, weil nach der Zahlung die Lieferwege oder Produktionsprozesse nicht mehr funktionieren, so dürfte die Berufung auf höhere Gewalt ausgeschlossen sein. Das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus.
Auf jeden Fall sollte die Behinderungsanzeige, die nach § 6 VOB/B grundsätzlich erforderlich ist, gestellt werden. Für den Vertragspartner sind die hindernden Umstände nicht per se erkennbar. So sind die Lieferketten oder Produktionsstandorte dem Auftraggeber i.d.R. nicht bekannt. Um Nachteile zu vermeiden sollte auch eine lückenlose Dokumentation der Zeitabläufe erfolgen (wann bestellt, normale Lieferzeiten etc.), um nachweisen zu können, dass die Behinderung tatsächlich durch die Epidemie und seine Folgen bzw. darauf beruhenden Umständen beruht.
Sowohl die Verwirkung einer Vertragsstrafe und die Geltendmachung von Verzugsschäden setzen einen Verzug voraus. Ohne Verschulden gibt es keinen Verzug. Sollten daher etwaige Verzögerungen in der Ausführung ausschließlich auf der Corona-Krise beruhen, können entsprechende Ansprüche des Auftraggebers nicht durchgesetzt werden.
Den Auftraggeber treffen beim Bauvertrag auch umfangreiche Mitwirkungspflichten. So ist er verpflichtet, die Planungsunterlagen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, bzw. Material beizustellen, wenn dies vertraglich vereinbart ist. Auch auf Auftraggeberseite können Behinderungen auftreten in Bezug auf derartige Pflichten. In der Regel sind diese Pflichten aber nicht als Vertragspflichten, sondern als Obliegenheiten ausgestaltet, so dass deren Verletzung (erst) bei entsprechender Nachfristsetzung ein Recht des Auftragnehmers begründen kann, sich vom Vertrag zu lösen. Schadensersatzansprüche wird es dann wiederum nur geben, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt.
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