Bedenkzeit beim ärztlichen Aufklärungsbogen

Eine Einwilligung bei Aufklärung über die Risiken einer Operation ist unwirksam, wenn die Einwilligung durch Unterzeichnung des Aufklärungsformulars unmittelbar nach dem Ende des Aufklärungsgesprächs erfolgt

 

Was war geschehen?

Der Kläger ist im Krankenhaus der Beklagten operiert worden. Die Nasenscheidewand wurde begradigt und eine Nasennebenhöhlen OP durchgeführt. Während der OP trat eine Blutung auf. Zuletzt kam es sogar zu einer Hirnblutung.

Die Folge waren weitere stationäre und ambulante Behandlungen in anderen Kliniken sowie ergo therapeutische Behandlungen.

Des weiteren  hat der Kläger Aufklärungsfehler gerügt. Er habe den Aufklärungsbogen unmittelbar nach dem Aufklärungsgespräch unterschreiben müssen.

Der Kläger nimmt die Beklagte Schadensersatz in Anspruch. Er verlangt ein Schmerzensgeld in Höhe von 125.000 € und weiteren Schaden. 

Die Beklagte behauptet, die Ärzte hätten die Operation fehlerfrei durchgeführt. Außerdem habe man den Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt. Dies beweise der von ihm unterschriebene Aufklärungsbogen.

 

Wie hat das Landgericht entschieden?

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

 

Was sagt das Oberlandesgericht?

Das OLG hat der Berufung im wesentlichen stattgegeben. Die Beklagte wurde zur Zahlung von Schmerzensgeld und zum Ersatz des materiellen Schadens verurteilt.

 

Die wesentliche Begründung

Die Einwilligung des Klägers, die dieser am 1.11.2013 mit Unterzeichnung des Aufklärungsbogens erteilte, war nach Ansicht des Gerichts unwirksam, weil der Kläger keinerlei Bedenkzeit zwischen Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung hatte. Eine wohlüberlegte Entscheidung kann schon nach dem Wortlaut des § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB nur treffen, wer ausreichend Zeit zum Überlegen hat. Wenn ein Krankenhaus aus organisatorischen Gründen die Übung hat, den Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung zur Unterschrift unter die Einwilligungserklärung zu bewegen, kann man in einem solchen Fall nicht von einer wohl überlegten Entscheidung ausgehen. Sie wird vielmehr unter dem Eindruck einer großen Fülle von dem Patienten regelmäßig unbekannten und schwer verständlichen Informationen und in einer persönlich schwierigen Situation abgegeben.

 

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 25. November 2021 – 5 U 63/20

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